Wer aktuell ein Haus oder eine Wohnung kaufen oder bauen möchte, begegnet überall einladenden Angeboten:
„Bauzinsen ab 3,5 %“, „Top-Konditionen für Ihre Baufinanzierung“ oder „Jetzt günstig ins Eigenheim starten“.
Was viele nicht wissen: Diese sogenannten Lockzinsangebote gelten nur für eine kleine Minderheit der Käufer – und führen häufig zu einem realitätsfernen Bild der tatsächlichen Finanzierungskosten. Beim späteren Bankgespräch erleben viele dann eine unerwartete Ernüchterung.
Die Realität in Zahlen (Stand Juni 2025)
Eine aktuelle Marktanalyse von Dr. Klein zeigt, wie sich die Finanzierungslandschaft verändert hat:
• Der fremdfinanzierte Anteil am Beleihungswert einer Immobilie liegt inzwischen bei 87,18 %
• Das bedeutet: Käufer bringen im Schnitt nur rund 13 % Eigenkapital ein
• Die anfängliche Tilgungshöhe sinkt ebenfalls - im Juni lag sie bei durchschnittlich nur 1,69 %
Diese Zahlen belegen:
- Immer weniger Eigenkapital, niedrigere Tilgung - um überhaupt finanzieren zu können
Warum viele Zinsangebote trügen
Viele Finanzierer bewerben attraktive Zinssätze, z. B.:
„Ab 3,5 % effektivem Jahreszins bei 10 Jahren Zinsbindung“
Doch was auf dem Werbeplakat gut aussieht, ist in der Praxis nur unter optimalen Bedingungen erhältlich:
Hinter den plakativ beworbenen Zinssätzen (z.B. „ab 3,5 % effektiv bei 10 Jahren Zinsbindung“) verbirgt sich regelmäßig ein ganzes Bündel an Idealvoraussetzungen:
Nur wer alle diese Bedingungen erfüllt, bekommt den Top-Zins:
• 20 - 30 % Eigenkapital (inkl. Nebenkosten wie Grunderwerbsteuer, Notar, Makler)
• Tilgung mindestens 2 % p.a.
• WFB - „Werthaltige, gepflegte Immobilie“ in guter Lage
• Bonitätsprüfung ohne Makel (hoher Score, kein Schufa-Eintrag, nachhaltig gesichertes Einkommen)
• Maximale Beleihung von 80 % des Immobilienwerts
Fachleute wissen: Wer davon abweicht, zahlt oft deutlich mehr - in aktuellen Marktphasen nicht selten sogar bis zu 4,5 % Zinsen oder gar darüber, je nach Risikobewertung und Bank. Und: Die monatliche Rückzahlungsrate bleibt zunächst zwar relativ niedrig - die Laufzeit des Darlehns und Restschuld bleiben hoch.
Wie ein typisches Finanzierungsgespräch ablaufen kann
Einsteiger erleben oft dieses Szenario - mit 12 %- 15 % Eigenkapital und Durchschnittsverdienst geht’s auf die Suche - doch beim Finanzierer heißt es dann plötzlich:
- „Bei Ihrer Eigenkapitalquote liegt der Zinssatz leider nicht bei 3,5 %, sondern eher bei 4,3 %.“
Fachleute kalkulieren schon vorab mit realistischeren Zinsen für Standardfälle, wissen aber auch:
Je höher der Fremdkapitalanteil und je schlechter die Bonität oder Lage, desto größer der Zinsaufschlag.
Worauf (alle) Käufer achten sollten
1. Eigenkapital ehrlich kalkulieren
o Für Einsteiger: Nebenkosten (10% - 12 % des Kaufpreises) separat einplanen - diese finanziert die Bank selten mit.
o Für Profis: Liquiditätsreserven („Notgroschen - für Unvorhergesehenes“) nicht bis aufs letzte Eurocent für den Immobilienerwerb nutzen.
2. Auf den individuellen Zins achten
o Nicht den Werbesatz hinterfragen, sondern:
„Was ist MEIN persönlicher Zins - bei MEINER Bonität, Tilgung und Eigenkapital?“
o Aufschlüsselung der Zinskalkulation verlangen (gibt Einblick in Risikoeinpreisung).
3. Mehrere Szenarien simulieren
o Mit unterschiedlichen Eigenkapitalquoten, Tilgungsraten, Beleihungsausläufen und Zinsbindungen rechnen lassen.
o Tipp: So lassen sich Chancen und Risiken transparent vergleichen. Nutzen Sie Tools wie Tilgungsplanrechner!
4. Hohe Beleihungsquoten hinterfragen
o Über 90% Fremdfinanzierung verteuert die Finanzierung stark und erhöht das Risiko bei Preisrückgängen merklich.
o Expertentipp: Ab 95% verlangen Banken oft zusätzliche Sicherheiten oder teurere Absicherungslösungen. Absurd und aus meiner Sicht ein No-Go: Das kann auch bedeuten, das z. B. die Immobilie der Eltern besichert wird.
5. Tilgung nicht zu niedrig wählen
o Erstkäufer mögen niedrige Monatsraten attraktiv finden, sollten aber bedenken: Eine Tilgung von nur 1,69 % bedeutet nach zehn Jahren noch sehr hohe Restschulden. Mit anderen Worten: Man bezahlt den Kredit über Jahrzehnte immer weiter!
o Besser: Mindestens 2 %, optimal 3 % einstellen (monatlich realistisch gegenrechnen).
6. Sondertilgungen einbauen - Flexibilität in Krisen
o Vertraglich zusichern lassen, in guten Jahren Extrazahlungen leisten zu können. Das reduziert die Zinsgesamtlast.
7. Anschlussfinanzierung mitdenken („Forward-Darlehen“)
o Für Einsteiger: Nach Zinsbindung fallen „Restschulden“ zu neuen - ggf. höheren - Zinsen an.
o Für Fachleute: Marktentwicklung frühzeitig antizipieren, Forward-Optionen vergleichen.
Die ursprünglich beworbenen 3,5 % bleiben oft ein theoretisches Rechenbeispiel - aber kein Angebot, das zu den eigenen Rahmenbedingungen passt.
Wichtig: Worauf Käufer unbedingt achten sollten
Damit das Finanzierungsgespräch nicht zur Enttäuschung wird, sollten Interessierte vorbereitet sein:
1. Eigenkapital realistisch einschätzen
Rechnen Sie inkl. Nebenkosten. Viele Banken setzen voraus, dass Grunderwerbsteuer, Notarkosten & Co. nicht mitfinanziert werden - auch wenn dies in der Praxis oft doch geschieht.
2. Nach dem echten Zins für Ihre Situation fragen
Nicht: „Was kostet die Finanzierung?“, sondern:
„Wie hoch ist mein persönlicher Zins bei meiner Eigenkapitalquote, Bonität und Tilgung?“
3. Mehrere Szenarien durchspielen lassen
Lassen Sie sich Angebote mit verschiedenen Tilgungssätzen, Laufzeiten und Zinsbindungen zeigen - das offenbart, welche Faktoren den Zins wie beeinflussen.
4. Finanzierungen über 90 % möglichst vermeiden
Hohe Beleihungen bedeuten nicht nur höhere Zinsen, sondern auch mehr Risiko bei fallenden Immobilienwerten. - Im Zweifelsfall bei zu hohem Risiko sogar besser von einem Kauf Abstand nehmen!
5. Tilgung nicht zu niedrig ansetzen
Eine Tilgung von nur 1,69 % bedeutet: nach 10 Jahren ist die Restschuld immer noch sehr hoch. Wer kann, sollte mindestens 2%, optimal sogar 3 %, wählen - auch wenn das die Monatsrate zunächst erhöht.
6. Lassen Sie sich eine Sondertilgung mit in den Vertrag aufnehmen!
Risiken und weitere Tipps
• Wertentwicklung am Immobilienmarkt: Wenn zu optimistisch eingekauft, kann der aktuelle Kaufpreis der Immobilie auch sinken - deshalb sollte die Beleihungsgrenze nicht zu hoch gewählt werden.
• Inflation und persönliche Kaufkraft: Genau prüfen, wie sich Ihr Haushalt bei steigenden Lebenshaltungskosten und Zinsen weiterhin tragen kann.
• Bei Zweifeln nicht kaufen: Im Zweifelsfall nicht kaufen! Ist die monatliche Rate nur unter optimalen Bedingungen zu stemmen, ist die Finanzierung aus Käufersicht zu risikoreich. Dann sollte man auch mal „Nein“ zur eigenen Immobilie sagen können
Vergleichen lohnt sich:
Unabhängige Portale oder Finanzierungsvermittler können oft mehr als die Hausbank - selbst Fachleute vergleichen regelmäßig mehrere Anbieter.
Fazit: Gut informiert statt enttäuscht ins Eigenheim
Die Mehrheit aller Käufer bringt heute keine 20% - 30 % Eigenkapital mehr ein - das ist in 2025 die neue Normalität. Trotzdem locken viele Finanzierer weiter mit Zinssätzen, die in der Praxis häufig nur unter optimalen Voraussetzungen zu erreichen sind.
Für die Finanzierung gilt:
Realistisch planen, ehrlich kalkulieren, Beratung und Vergleich nutzen.
Objektive Preis-/Risikoabschätzung, gezielte Szenarioanalysen, aktuelle Markttrends einbauen.
Zentrale Empfehlung:
Unterschreiben Sie nie vorschnell! Ausschließlich individuell passende Finanzierungslösungen sorgen für sichere und sorgenfreie Jahre im neuen Zuhause.
Fazit: Wer realistisch plant, finanziert besser
Die Mehrheit der Käufer kann keine 20% und schon gar keine 30 % Eigenkapital aufbringen - und das ist 2025 völlig normal. Wenn Banken mit "Traumzinsen" werben, dann trifft das oft nur auf "Traumkunden" mit hohem Eigenkapital und ausgezeichneter Bonität zu - bereits das sollte skeptisch machen! Trotzdem werben viele Finanzierer weiterhin mit Konditionen, die nur bei Idealvoraussetzungen erreichbar sind.
Wer diese Zinsangebote kritisch hinterfragt und vorbereitet in die Finanzierung geht, kann trotz nicht optimaler Voraussetzungen eine solide und tragbare Lösung finden.
Tipp: Fallen Sie nicht auf Lockangebote rein
Nutzen Sie Vergleichsportale, unabhängige Berater oder Vermittler, um verschiedene Angebote neutral gegenüberzustellen – und verlassen Sie sich nicht allein auf Werbeversprechen.
Dieser Text bietet eine Übersicht und ersetzt keine persönliche Beratung. Lassen Sie sich im Zweifel von Profis (z.B. Finanzierungsvermittlern, unabhängigen Beratern, Verbraucherzentralen) unterstützen. ©ImmoPilot 2025